Hilfsmittel wie Sporen und Gerten spalten zweifelsfrei die Reiterwelt.
Während sie für die Einen unverzichtbar sind, so sind sie für Andere nichts als Tierquälerei.
Dabei steht und fällt letztendlich alles mit ihrem Gebrauch:
Während ich aus einer persönlichen Entscheidung heraus und aus diversen Gründen seit Jahren keine Sporen mehr nutze, so ist die Gerte jedoch für mich eine der essentiellsten Ausbildungshilfen und ein wertvolles Mittel in der Kommunikation mit dem Pferd.
Vorausgesetzt, man weiß sie mit Sinn und Verstand einzusetzen!
In der Jungpferdeausbildung ist die Gerte zunächst die erste „Schenkelhilfe“ die das Pferd kennen lernt. Bei der Bodenarbeit lernt ein junges Pferd im Idealfall direkt von Anfang an auf leichten Druck mit der Gerte in der Schenkellage vorwärts zu gehen. Durch die Unterstützung die ich als Ausbilder vom Boden aus über meine Körpersprache, meine Führposition und die Einwirkung über Halfter oder später auch Kappzaum oder Trense geben kann, lernt das Jungpferd diesen Druck mit dem Vorwärtsimpuls zu verknüpfen. Sitze ich nun zum ersten Mal auf dem jungen Pferd, so bleibt mit der Gertenhilfe auch von oben ein dem Pferd bereits bekannter Impuls der, mit den Schenkelhilfen kombiniert, dazu führt, dass das junge Pferd weitestgehend direkt versteht was ich von ihm möchte.
Ich habe das Tier also graduell an ein Hilfenverständnis heran geführt.
Dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Ausbildung hindurch:
ich erarbeite grundsätzlich alles zunächst vom Boden aus, die Gerte dient mir als Kommunikationshilfe, die ich in gleicher Form dann anschließend auch von oben nutzen und dem Pferd das Verständnis für den gewünschten Ablauf vermitteln kann, bis die Verknüpfung zu Sitz- und Schenkelhilfen in der bestimmten Lektion verinnerlicht ist.
Die Gertenhilfe ist hier also mein Bindeglied, eine Übersetzungshilfe zwischen der Bodenarbeit und der Umsetzung vom Sattel aus.
Zusätzlich dazu ermöglicht mir der sinnvolle Einsatz der Gerte auch eine Reduzierung der Hilfen:
Schwankt ein Pferd zum Beispiel in den Seitengängen, so kann das konstante Anlegen der Gerte an der Hinterhand oder auch der Schulter als begrenzende Hilfe so weit Unterstützung bieten, dass ich auf andere Hilfen gänzlich verzichten kann.
Aber auch dann wenn das Pferd bereits weiter geschult ist, stellt das punktuelle Touchieren eine wertvolle Hilfe dar.
Das entscheidende Faktor hierbei ist, wie bei allem, allerdings das eigene Timing und der gezielte Einsatz mit Sinn und Verstand.
Das impulsmäßige Touchieren ergibt nämlich nur dann Sinn, wenn es im genau richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle erfolgt.
Möchte ich zum Beispiel das innere Hinterbein zu einem aktiveren Fußen animieren, so ist es sinnlos das Pferd wahllos an der Kruppe zu berühren oder auch das innere Hinterbein in dem Moment zu touchieren in dem gerade das äußere Hinterbein in der Bewegung ist und das Pferd mit dem angesprochenen Bein gar nicht reagieren kann, sondern meine Touchierhilfe muss dann am inneren Hinterbein in dem exakten Moment des Abfußens erfolgen.
Die Höhe, beziehungsweise die exakte Stelle des Touchieren ist überdies ihrerseits abhängig von der gewünschten Reaktion und dem erhofften Ergebnis. Unterschiedliche Touchierpunkte erzeugen unterschiedliche Antworten.
Der Ausbilder muss also nicht nur klar und konsequent bei der Einhaltung seiner Touchierpunkte sein, sondern sich auch mit einem klaren inneren Bild bewusst vor Augen führen was er erzielen möchte.
Denn das Pferd kann die Gertenhilfe immer nur dann als solche mit der erhofften Reaktion verstehen und umsetzen, wenn sie auch logisch Sinn ergibt.
Die Gerte ist niemals als Zwangs-, sondern immer als Kommunikationsmittel einzusetzen und ihr Gebrauch muss, wie alles andere in der Reiterei, ebenfalls geschult werden wenn sie sinnvoll und verständlich eingesetzt werden soll.
Die Gerte ist zu keinem Zeitpunkt des Umgangs mit dem Tier als Schlagwerkzeug einzusetzen. Gewalt darf niemals Bestandteil der Ausbildung des Pferdes sein und der Missbrauch jeglicher Hilfsmittel zeugt nur von der eigenen Unfähigkeit des Reiters. Gewalt beginnt da, wo Wissen endet.
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