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Von der Kunst ein Pferd mutig zu machen

Foto: Mike und Susanne Göhre www.fotoschmied.de
Foto: Mike und Susanne Göhre www.fotoschmied.de

 

 

 

 

"Könntest Du Dein Pferd in eine Schlacht reiten?"

 

 

 

 

Diese Frage wurde mir tatsächlich mal von jemandem gestellt und auch wenn wir uns einig sind, dass diese Fragestellung hypothetischer Natur ist und für uns heutzutage- Gott sei Dank- keine Notwendigkeit mehr besteht mit unseren Pferden in den Krieg zu ziehen, so hat sie dennoch einen interessanten Kern.

Denn sie führt unweigerlich zu der Überlegung wie mutig das eigene Pferd denn eigentlich wirklich ist und inwieweit wir als Ausbilder unseres Pferdes Einfluss auf den Mut des Tieres nehmen können.

 

Können wir aus einem Hasen- ein Löwenherz machen?

 

Jedes Pferd bringt seinen individuellen Charakter mit und grundsätzliche Charaktereigenschaft lassen sich erst mal kaum bis gar nicht groß verändern.

 

Es ist also eigentlich relativ klar, dass man aus einem von Natur aus sehr ängstlichen Pferd ohne starke Nerven keinen Draufgänger macht mit dem man in den Krieg reiten könnte.

Ein alltagstauglicheres Beispiel hierfür sind beispielsweise die Polizeipferde: neben der Statur ist der Charakter, der Nerv und der Mut des Pferdes ein essentielles Auswahlkriterium, weswegen längst nicht jedes Pferd für diesen Job geeignet ist und selbst von jenen, die in die Auswahl kommen, ebenso längst nicht alle nach der Ausbildung in den tatsächlichen Einsatz kommen, weil sich herausstellt, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen sind. Denn neben Mut an sich, benötigt es auch Belastbarkeit. Es braucht also das passende Interieur.

 

Und doch ist Mut an sich, wenn auch in begrenztem Umfang, wie das vorangegangene Beispiel zeigt, erlernbar.

Denn Angst ist zunächst nichts anderes als ein Überlebensinstinkt und Instinkte des Pferdes umzutrainieren machen wir in der Ausbildung und im Umgang mit dem Pferd an sich jeden Tag- ansonsten wäre es nämlich nicht möglich sich als potenzielles Raubtier auf den Rücken des Beute- und Fluchttieres zu setzen.

 

Man muss sich zudem auch vor Augen führen, dass Mut nicht gleichzusetzen ist mit kompletter Furchtlosigkeit.

Mut ist die Eigenschaft der Situation entsprechend bestmöglich zu reagieren.

Furchtlosigkeit hingegen kann zu gefährlicher Leichtsinnigkeit führen.

Das ist beim Pferd nicht anders als beim Menschen.

 

Wie trainiere ich also den Mut meines Pferdes?

 

Indem ich ihm Aufgaben stelle die es bewältigen kann.

Jedes Erfolgserlebnis lässt das Pferd wachsen. Jede neue, fremde und unbekannte Situation die das Pferd erfolgreich meistert, entwickelt sein Selbstvertrauen und seine Sicherheit und lässt es darüber mutiger werden.

Darüber hinaus trägt auch die reiterliche Ausbildung des Pferdes maßgeblich dazu bei.

Abgesehen von konkreten Lektionen die Kraft und Selbstbewusstsein fördern, (wie dem spanischen Schritt und den Schulen über der Erde, die in der historischen Reiterei ja durchaus eben gerade dem Nahkampf dienten), die einen nicht zu unterschätzenden mentalen Effekt haben, hat auch die alltägliche Arbeit ihren Einfluss. Denn je besser das Pferd ausgebildet ist, umso mehr Kraft und Balance hat es, woraus sich ein besseres Körperbewusstsein entwickelt.

Und nur ein Pferd das sich körperlich und mental gut fühlt, kann auch mutig sein.

Ein schwaches, krankes, sich unwohl fühlendes Pferd wird auch immer ein unsicheres Verhalten zeigen- denn dann nehmen die Instinkte wieder Überhand, denn ein schwaches Pferd hat in der Natur schlechte Überlebenschancen.

 

Foto: Mike und Susanne Göhre www.fotoschmied.de
Foto: Mike und Susanne Göhre www.fotoschmied.de

 

 

 

Und dann ist da noch der Einfluss der Pferdehaltung...

 

 

 

 

Wie wichtig der Aspekt der Haltung des Pferdes bei dieser Thematik ist, wird nicht nur oft schlicht vergessen, sondern vor allem auch maßgeblich unterschätzt.

Eine reizarme Haltung ohne unterschiedliche Umwelteindrücke kann kein nervlich belastbares Pferd hervorbringen.

Und dabei geht es nicht allein um eine möglicherweise fehlende körperliche Auslastung im Falle von mangelnder freier Bewegung und Sozialkontakten, sondern zusätzlich auch um all jenes womit sich das Pferd im Alltag konfrontiert sieht- oder halt auch nicht.

Um ein, für das bessere Verständnis des Vorangegangen, bewusst überspitzt dargestelltes Alltagsbeispiel (von dem man dennoch nicht leugnen kann, dass es bedauerlicherweise tatsächlich auch in der Praxis existiert) hierfür aufzuführen:

von einem wohlbehüteten Dressurpferd, das außer Box und Handtuchpaddock in seinem Alltag nichts sieht und nur auf einem reizarmen Viereck ohne jegliche äußerlichen Störfaktoren täglich gearbeitet wird, kann man nicht erwarten, dass es seine Nerven behält, wenn man es mit der realen Welt konfrontiert.

Diese Problematik fängt zudem vielfach schon im Fohlen- und Jungpferdealter an, denn oftmals sind auch einfach die Möglichkeiten für eine vielfältige Aufzucht, bei der sich das junge Pferd mit unterschiedlichsten Eindrücken und Aufgaben konfrontiert sieht, einfach nicht gegeben. Und das, was in dieser frühen Prägung fehlt, lässt sich kaum wieder aufholen.

 

Je vielfältiger die Aufzucht und die Haltung sind, je mehr Umwelteindrücke das Pferd meistern muss, umso gefestigter wird es- physisch und psychisch.

 

Foto: Nadine van Eikelen www.instagram.com/bildwerk_eifel
Foto: Nadine van Eikelen www.instagram.com/bildwerk_eifel

 

 

 

 

Und dann wär da noch der eigene Mut...

 

 

 

 

 

Um auf die initiale Frage zurück zu kommen und den Kreis zu schließen:

Hättest Du denn selbst den Mut in eine Schlacht zu reiten?

 

Jeder Reiter wünscht sich Vertrauen von seinem Pferd, doch wie sehr vertraust Du Deinem Pferd? Wie sehr vertraust Du darauf, dass Dein Pferd die Aufgabe, die gerade vor euch liegt, löst? Wie sehr vertraust Du darauf, dass ihr beide das gemeinsam schafft?

Zu vertrauen heißt mutig zu sein. Den Mut zu haben an Gelingen zu glauben, den Mut zu haben Kontrolle abzugeben, den Mut zu haben sich Unbekanntem zu stellen und diesen Mut zu vermitteln, zu übertragen, wenn Dein Pferd seinen Mut vielleicht doch verlässt.

Nur wenn Du selbst mutig genug bist, kannst Du von Deinem Pferd denselben Mut erwarten.

Natürlich gibt es Pferde die Unsicherheiten kompensieren, die nicht nur spiegeln, sondern ausgleichen, die Entscheidungen treffen, die Führung übernehmen wenn es drauf ankommt und sie merken, dass der Mensch es nicht schafft- vorausgesetzt der Mensch lässt dieses Handeln des Pferdes zu.

Ja, diese Pferde gibt es- und doch wird diese wunderbare Eigenschaft dieser Pferde kein Dauerzustand bleiben, wenn sie immer und immer wieder von ihrem Menschen alleine gelassen werden und auf Dauer keine mentale Unterstützung erfahren, weil der Mensch selbst es nicht kann.

Dazu kommt, dass diese Pferde eher die Ausnahme und nicht die Regel sind.

Der Großteil der Pferde spiegelt den Menschen. Spiegelt Gemütszustände, spiegelt Emotionen, spiegelt Liebe, Zuneigung, aber auch Unsicherheit, Wut und Angst.Und eben auch Mut. Den Mut daran zu glauben, dass der eigene Mut ausreicht die Situation zu meistern und mit diesem Mut Sicherheit zu vermitteln.

Und ja, dazu gehört auch noch so viel mehr, was nun aber den Rahmen dieses Themas sprengen würde- und deswegen sehr gerne in einem anderen Beitrag noch mal Aufmerksamkeit erfahren darf.

 

Mut heißt aber genauso auch die Grenzen zu kennen, sowohl die Eigenen als auch die des Pferdes. Mut darf ebensowenig zu Übermut werden, denn Übermut führt schnell zu Leichtsinnigkeit und Leichtsinnigkeit führt schnell zu Unfällen.

 

Mit dem eigenen Mut sollten also auch immer Besonnenheit, Vernunft und Respekt einher gehen. 

 

Und die liebevolle Akzeptanz, wenn am Ende des Tages aus dem Hasenherz doch kein Löwenherz wird. Es macht das Lebewesen nicht weniger wertvoll.

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